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Foiling­tech­no­logie in E2MUT – Wider­stands­ein­spa­rung von Schiffen durch Leicht­bau­kon­zepte

Liebe:r Leser:in,

im Herbst 2021 begannen wir, im Rahmen des vom BMBF geför­derten Forschungs­pro­jekts E2MUT (Emis­si­ons­freie Elek­tro­mo­bi­lität für mari­time Trans­porte) an Hydro­foil­kon­zepten zur Effi­zi­enz­stei­ge­rung elek­trisch betrie­bener Fähren zu arbeiten. Im diesem Artikel bringen wir Ihnen die tech­ni­schen Grund­lagen eines Trag­flä­chen­schiffes näher und Sie werden die Vorteile von Trag­flä­chen­schiffen besser verstehen und ihren Anwen­dungs­be­reich kennen­lernen. Wir stellen Ihnen dabei Ergeb­nisse aus den Forschungs­tä­tig­keiten der ar engi­neers GmbH vor, die unter anderem Ergeb­nisse der Fahr­wi­der­stands­be­rech­nung verschie­dener Trag­flä­chen­schiff­kon­zepte enthalten.

Histo­ri­scher Rück­blick auf Foiling

Bereits Anfang des letzten Jahr­hun­derts kam mit der Entwick­lung der ersten Flug­zeuge die Idee auf, Trag­flä­chen auch bei Schiffen zu verwenden (bspw. durch Enrico Forla­nini um 1900). Die Idee bestand darin, die Trag­flä­chen (Foils oder Hydro­foils) unter­halb des Schiffs­rumpfes zu posi­tio­nieren und somit die bei hohen Geschwin­dig­keiten effi­zi­ente dyna­mi­sche Auftriebs­er­zeu­gung von Trag­flä­chen nutzen zu können. Die Moti­va­tion war also, höhere Geschwin­dig­keiten bei einem gege­benen Antriebs­system errei­chen zu können. Diese Moti­va­tion findet sich auch heute insbe­son­dere im Segel­renn­sport, bspw. im Americas Cup wieder, bei dem seit 2013 Unter­was­ser­trag­flügel verwendet werden.

Als rich­tungs­wei­send kann hier der fran­zö­si­sche Trimaran Hydro­p­tère ange­führt werden, der zwischen 2007 und 2012 den Geschwin­dig­keits­re­kord im Segeln über eine Seemeile mit 41,5 Knoten hielt. In Zeiten des globalen Klima­wan­dels spielt heut­zu­tage die Foil-Tech­no­logie u.a. eine zentrale Rolle, um urbane mari­time Trans­porte emis­si­ons­frei gestalten zu können. Es wird dabei haupt­säch­lich auf elek­tri­sche Antriebe mit Wasser­stoff- oder Batte­rie­ba­sierten Ener­gie­spei­chern gesetzt. In diesem Kontext liegt der Vorteil der Foil-Tech­no­logie beson­ders in der Ener­gie­ein­spa­rung, da die Reich­weite durch die modernen Ener­gie­spei­cher stärker begrenzt ist als im Vergleich zu fossilen Ener­gie­trä­gern. Gleich­zeitig verbindet die Foil-Tech­no­logie die für den Perso­nen­trans­port wich­tigen Eigen­schaften einer hohen Reise­ge­schwin­dig­keit und eines geringen Ener­gie­ver­brau­ches. Im Forschungs­pro­jekt E2MUT möchten wir genau diese Vorteile der Foil-Tech­no­logie mit einbringen, um einen Beitrag für eine emis­si­ons­freie Mobi­li­täts­zu­kunft leisten zu können.

Hydro­sta­ti­sche und -dyna­mi­sche Zusam­men­hänge an einem Trag­flä­chen­schiff 

Ein Trag­flä­chen­schiff ist dadurch charak­te­ri­siert, dass im Unter­was­ser­be­reich des Schiffs­rumpfes Trag­flä­chen ange­bracht sind, welche einen dyna­mi­schen Auftrieb erzeugen. Die Eigen­schaft dyna­misch“ beschreibt dabei, dass der Auftrieb abhängig von der Anström­ge­schwin­dig­keit ist, genau genommen sich propor­tional zum Quadrat der Anström­ge­schwin­dig­keit ändert. Bei einem Trag­flä­chen­schiff kommen daher zwei verschie­dene Arten der Auftriebs­er­zeu­gung zum Tragen. Zum einen der eben beschrie­bene dyna­mi­sche Auftrieb und zum anderen der hydro­sta­ti­sche Auftrieb des Schiffs­rumpfes.

Zusätz­lich kann auch ein Schiffs­rumpf bei hoher Geschwin­dig­keit einen dyna­mi­schen Auftrieb erzeugen, der auch als Gleiten oder Planing bezeichnet wird. Dabei hängt das Gleiten eines Schiffs­rumpfes maßgeb­lich von der Rumpf­form ab. In der hier betrach­teten Klasse von Kata­maran­rümpfen wird bei Reise­ge­schwin­dig­keit von ca. 22 kn ein Teil­gleiten erreicht, welches jedoch deut­lich geringer in der Wirk­sam­keit ist, als die betrach­teten Foil-Systeme. Bei nied­rigen Geschwin­dig­keiten ist der Anteil des dyna­mi­schen Auftriebes des Rumpfes verschwin­dend gering.

Die an einem gene­ri­schen Trag­flä­chen­schiff, in diesem Fall mit Tandem-Foil­system, wirkenden Kräfte sind in Abbil­dung 1 darge­stellt. Der Schiffs­rumpf erzeugt den Auftrieb B, den Rumpf­wi­der­stand DH und die Gewichts­kraft W in der auch der Einfach­heits­halber das Gewicht des Foil-Systems enthalten ist. Jedes Foil erzeugt dann einen Auftrieb Li und Wider­stand Di, welcher von der rela­tiven Anströ­mung v abhängt. Die Vortriebs­kraft P der Propul­si­ons­ein­heit ist beispiels­weise am hinteren Foil einge­tragen.

Abbil­dung 1: Das Kräf­te­system am Foiling-Rumpf

Der gesamte Wider­stand des Trag­flä­chen­schiffes lässt sich bei Vernach­läs­si­gung von Inter­fe­renz­wie­der­ständen zu:

berechnen. Um die Zusam­men­hänge weiter aufzeigen zu können, bietet es sich an, soge­nannte Gleit­zahlen einzu­führen, welche in der Luft­fahrt gebräuch­lich sind. Eine Gleit­zahl gibt das Verhältnis aus Auftrieb und Wider­stand als dimen­si­ons­lose Zahl wieder und kann als Maß der Effi­zienz eines Fort­be­we­gungs­mit­tels verstanden werden. Die Gleit­zahl der Foils und des Rumpfes werden mit:

defi­niert. Wird nun unter­stellt, dass der Rumpf im reinen Verdrän­ger­modus operiert, kann ein wesent­li­cher Unter­schied zwischen Rumpf und Foils heraus­ge­ar­beitet werden. Dieser Unter­schied wird deut­lich, wenn die Abhän­gig­keiten der Kraft­größen als Argu­ment in die Glei­chungen mit einbe­zogen werden (Auftriebs­bei­wert CL, Dichte von Wasser ρ, Wider­stand­bei­wert CD, Erdbe­schleu­ni­gung g, verdrängtes Wasser­vo­lumen des Rumpfes V):

Der Unter­schied besteht nun darin, dass bei den Foils sowohl der Auftrieb als auch der Wider­stand quadra­tisch von der Geschwin­dig­keit abhängen. Im Falle des Rumpfes ist nur der Wider­stand geschwin­dig­keits­ab­hängig, wenn der Rumpf im reinen Verdrän­ger­modus operiert oder die Anteile des dyna­mi­schen Auftriebes vernach­läs­sigbar klein sind. Tatsäch­lich verhält es sich so, dass die Gleit­zahl der Foils bei stei­gender Geschwin­dig­keit annä­hernd konstant bleibt, sofern ihr Anstell­winkel konstant bleibt. Die Gleit­zahl des Rumpfes ist bei nied­riger Geschwin­dig­keit beson­ders hoch, bzw. geht Rich­tung Unend­lich, bei null Geschwin­dig­keit. Bei höheren Geschwin­dig­keiten steigt dann der Rumpf­wi­der­stand stark, somit wird die Gleit­zahl des Rumpfes konti­nu­ier­lich redu­ziert.

Im Folgenden wird auf Basis eines Konzeptes eines flie­genden Trag­flä­chen­schiffes die Auswer­tung der Gleit­zahlen der Glei­chung (3) darge­stellt. Das Konzept des Trag­flä­chen­schiffes ist in Abbil­dung 2 darge­stellt. Die Flügel­fläche des Haupt­foils beträgt 9,2 m x 1,5 m und erzeugt ab 28 kn einen Auftrieb von 50 Tonnen. Insge­samt ist das Foil-System auf eine Auftriebs­er­zeu­gung von 80 Tonnen ausge­legt.

Abbil­dung 2: Konzept des Trag­flä­chen­schiffs (Quelle: Tamsen)

Zur Berech­nung des Auftriebes und des Wider­standes des Foil-Systems wurde ein eigenes Foil-Berech­nungs­pro­gramm entwi­ckelt, welches sowohl den Wellen­wi­der­stand, indu­zierten Wider­stand, Reib- und Druck­wi­der­stand, als auch den Effekt der Wasser­ober­flä­chen auf den Auftriebs­bei­wert berück­sich­tigt. Der Wider­stand des Rumpfes wurde über den Geschwin­dig­keits­be­reich von 6 Knoten bis 40 Knoten für unter­schied­liche Verdrän­gungen mit einem poten­ti­al­theo­re­ti­schen CFD-Programm durch die Tamsen Maritim GmbH berechnet. Die Perfor­mance Daten der Foils und des Rumpfes werden voll auto­ma­tisch in unserem haus­in­ternen Foil-Berech­nungs­pro­gramm zusam­men­ge­führt und ermög­li­chen eine Berech­nung des Fahr­wi­der­standes des Trag­flä­chen­schiffes über den gesamten Geschwin­dig­keits­be­reich. Dieses Vorgehen eignet sich vor allem für die Konzept­phase zur ersten Beur­tei­lung der Leis­tungs­fä­hig­keit von Trag­flä­chen­schiffen. In Abbil­dung 3 ist die Auswer­tung der Gleit­zahl des Foil-Streben-Systems und des Rumpfes und die Auswer­tung des erzeugten Auftriebes durch das Foil-System darge­stellt. Als Streben werden dabei die verti­kalen Struk­tur­ele­mente bezeichnet, welche die hori­zon­talen Foils mit dem Rumpf verbinden. Diese werden auch als Struts bezeichnet.

Abbil­dung 3: Auftrieb und Gleit­zahl in Abhän­gig­keit der Fahr­ge­schwin­dig­keit

Es wird in Abbil­dung 3 deut­lich, dass die Gleit­zahl des Schiffs­rumpfes bei geringen Geschwin­dig­keiten sehr hoch ist und damit der Einsatz von Foil-System bei nied­rigen Geschwin­dig­keiten nicht sinn­voll ist. Ab einer Geschwin­dig­keit von ca. 15 Knoten werden dann die Foils konti­nu­ier­lich effi­zi­enter als der Schiffs­rumpf. Die gesamte Wirk­sam­keit des Foil-Systems hängt dann noch von dem erzeugten Auftrieb ab, der darüber entscheidet, wie weit der Rumpf noch im Wasser einge­taucht ist. In der Design­phase sind der Auftrieb und die Effi­zienz der Foils gegen­läu­fige Para­meter, denn bei einer Erhö­hung des Anstell­win­kels der Foils wird zwar der Auftrieb erhöht, aber gleich­zeitig die Effi­zienz (Gleit­zahl) gemin­dert. Der eben beschrie­bene Zusam­men­hang zwischen der Gleit­zahl und Verdrän­gung des Rumpfes und Auftrieb und Gleit­zahl der Foils kann durch Zusam­men­füh­rung der Glei­chungen (1) und (2) und B = W - L zu:

verein­facht werden, wobei L der gesamte Auftrieb des Foil-Systems und E die Gleit­zahl des gesamten Foil-Systems ist. Die Auswer­tung der Glei­chung (4) ist in Abbil­dung 4 darge­stellt als Gesamter Wider­stand »Full Flying Cat«. Zusätz­lich ist der Wider­stand des Rumpfes ohne Foiling­system darge­stellt, die Eintauch­tiefe des Rumpfes mit Foiling­system, der Wider­stand des Rumpfes mit Foiling­system und der Wider­stand des reinen Foiling­sys­tems.

Zusam­men­fas­sung

Abbil­dung 4: Wider­stands­kurven

In Abbil­dung 4 wird deut­lich, welchen Effekt Foiling­sys­teme erbringen können. Der Wider­stand wird bei einer Geschwin­dig­keit von 32 Knoten im Vergleich zum Wider­stand des reinen Rumpfes bei 22 Knoten um 44 % redu­ziert. Ab einer Geschwin­dig­keit von 28 Knoten kann der Schiffs­rumpf voll­ständig aus dem Wasser gehoben werden und bei stei­gender Geschwin­dig­keit kann der Gesamt­wi­der­stand sogar noch gesenkt werden, da die Foils geringer ange­stellt werden. Auch bei deut­lich klei­neren Foiling­sys­temen, welche den Schiffs­rumpf nur teil­weise aus dem Wasser heben, können bereits signi­fi­kante Einspa­rungen erreicht werden.

Die im Forschungs­pro­jekt E2MUT unter­suchten Trag­flä­chen­schiffs­kon­zepte werden im nächsten E2MUT-Blog­bei­trag vorge­stellt. Seien Sie gespannt!