FAnTe­S­tick - Bessere Lebens­dau­er­vor­her­sage von Kleb­ver­bin­dungen durch Simu­la­tion

Liebe:r Leser:in,

In diesem Blog­ar­tikel stellen wir Ihnen eines unserer Forschungs­pro­jekte vor, in dem wir aktiv sind: FAnTe­S­tick. Sie erhalten einen Über­blick über das Projekt, die Moti­va­tion dahinter sowie die Heraus­for­de­rungen, tech­ni­schen Entwick­lungen und die bisher gewon­nenen Erkennt­nisse. In diesem und künf­tigen Arti­keln zum Projekt FAnTe­S­tick zeigen wir Ihnen, wie sich das Versagen und Ermü­dungs­ver­halten von geklebten Faser­ver­bund­bau­teilen mithilfe von gezielten Versuchs- und Berech­nungs­me­thoden vorher­sagen lässt. Auf Basis dieser Ergeb­nisse können lang­le­bige, nach­hal­tige Compo­site-Struk­turen entwi­ckelt werden.

Viel Spaß beim Lesen!

Einlei­tung & Moti­va­tion

Ein wich­tiger Aspekt in der Bauteil­ent­wick­lung ist die Bewer­tung der Anbin­dung zwischen Kompo­nenten, um deren struk­tu­relle Inte­grität und somit die Zuver­läs­sig­keit des Gesamt­sys­tems sicher­zu­stellen. Um eine zuver­läs­sige und feste Verbin­dung zwischen Faser­ver­bund­bau­teilen zu errei­chen, werden in der Regel zwei Füge­tech­niken einge­setzt: herkömm­liche mecha­ni­sche Verbin­dungs­ele­mente (z. B. Schrauben und Nieten) und/​oder Kleben. Letz­teres bietet zahl­reiche, viel­ver­spre­chende Vorteile, wie z. B. gerin­gere Span­nungs­kon­zen­tra­tionen im Füge­be­reich, die Möglich­keit des Fügens unter­schied­li­cher Werk­stoffe, Flexi­bi­lität im Entwurf sowie eine hohe Scha­dens­to­le­ranz und ein gutes Ermü­dungs­ver­halten.

Kleb­ver­bin­dungen enthalten jedoch in der Regel Mikro­risse und verein­zelte Hohl­räume (Luft­ein­schlüsse) in der Kleb­schicht, die unwei­ger­lich während des Herstel­lungs­pro­zesses oder der Montage der Verbin­dung entstehen. Da das Vorhan­den­sein solcher Fehler die Festig­keit der belas­teten Verbin­dung gefährden kann, ist es notwendig, das Bruch- und Ermü­dungs­ver­halten sowie die Versa­gens­me­cha­nismen zu bewerten, um eine sichere Konstruk­tion von geklebten Struk­turen zu gewähr­leisten.

Das Projekt FAnTe­S­tick wird in Zusam­men­ar­beit mit unserem Forschungs­partner, dem Leibniz-Institut für Verbund­werk­stoffe (IVW) in Kaisers­lau­tern, durch­ge­führt. Ziel ist die Entwick­lung einer praxis­nahen Berech­nungs­me­thode zur Vorher­sage der Lebens­dauer von Klebe­ver­bin­dungen in Faser­ver­bund­struk­turen. Die Analyse der Kleb­ver­bin­dung erfolgt mit Hilfe von analy­ti­schen und nume­ri­schen Ansätzen, die im Rahmen des Projekts entwi­ckelt werden, sowie mit Daten aus parallel durch­ge­führten, expe­ri­men­tellen Versu­chen.

Bruch­me­cha­ni­sche Berech­nung von Kleb­ver­bin­dungen

Herkömm­liche Methoden zur Ausle­gung und Analyse eines Bauteils arbeitet mit span­nungs- oder dehnungs­ba­sierten Festig­keits­kon­zepten. Bei diesem Ansatz wird ein Mate­ri­al­ver­sagen defi­niert, wenn die auftre­tende Span­nung oder Dehnung die Bruch-/Fließ­span­nung oder Grenz­deh­nung des Werk­stoffs über­steigt, die auf der Grund­lage des gewählten Versa­gens­kri­te­riums defi­niert wird. Die ferti­gungs­be­dingten Fehl­stellen in Kleb­schichten führen zur Entste­hung und Verbrei­tung von Rissen. Solche Risse führen zu lokalen Span­nungs­kon­zen­tra­tionen, was zu einem Werk­stoff­ver­sagen vor der erwar­teten nomi­nellen Festig­keits­grenze führen kann, die durch herkömm­liche Versuche bestimmt wird.

Um das Versagen von Werk­stoffen aufgrund dieser Fehl­stellen zu verstehen und vorher­zu­sagen, wird die Bruch­me­chanik ange­wandt. Die Bruch­me­chanik ist ein Bereich der Inge­nieur- und Werk­stoff­wis­sen­schaften, der das Verhalten von Rissen und Defekten in Werk­stoffen unter äußeren Belas­tungen unter­sucht. Für die Bewer­tung wird das Konzept der Dehnungs­en­er­gie­frei­set­zungs­rate (strain energy release rate, SERR) verwendet, da es ein Maß für die zur Ausbrei­tung eines Risses erfor­der­liche Energie darstellt. Die SERR reprä­sen­tiert die Energie, die pro Flächen­ein­heit einer neu gebil­deten Bruch­fläche während des Bruch­vor­gangs verloren geht.

Die Bruch­me­chanik ist ein wirk­sames Instru­ment zur Charak­te­ri­sie­rung des Versa­gens von mono­li­thi­schen Werk­stoffen sowie von Kleb­ver­bin­dungen. Zur Bewer­tung des Bruch­ver­hal­tens werden die geklebten Struk­turen einem breiten Spek­trum von Zug- (Modus I) und Scher­span­nungen (Modus II) sowie gemischten Span­nungen (Modus I+II) ausge­setzt. Daher ist es uner­läss­lich, die gesamte Band­breite der Tests expe­ri­men­tell zu charak­te­ri­sieren, um die soge­nannte Bruch­hüll­kurve zu erhalten.

Zusätz­lich zur expe­ri­men­tellen Bewer­tung wurde ein nume­ri­sches Berech­nungs­mo­dell mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) erstellt, um das Bruch­ver­halten zu simu­lieren. Die Finite-Elemente-Analyse bietet eine kosten­ef­fi­zi­ente, virtu­elle Lösung für die bruch­me­cha­ni­sche Bewer­tung, die den Kosten- und Zeit­auf­wand für weitere expe­ri­men­telle Unter­su­chungen redu­ziert.

Für die Simu­la­tion der Riss­ent­ste­hung und -ausbrei­tung unter mecha­ni­scher Belas­tung wurden mehrere nume­ri­sche Ansätze im Rahmen der FEM entwi­ckelt. Unter den verfüg­baren Ansätzen wurde die ursprüng­lich von Rybicki und Kanninen [1] vorge­schla­gene Virtual Crack Closure Tech­nique (VCCT) ausge­wählt, da es sich dabei um eine bereits gut erforschte Methode für die Simu­la­tion von Riss­wachstum an Grenz­flä­chen handelt. VCCT basiert auf der linear-elas­ti­schen Bruch­me­chanik (LEFM) und geht von der Annahme aus, dass die Dehnungs­en­ergie, die erfor­der­lich ist, um einen Riss um einen bestimmten Betrag zu vergrö­ßern, der Dehnungs­en­ergie entspricht, die erfor­der­lich ist, um ihn auf seine ursprüng­liche Länge zu schließen.

Ergeb­nisse

Die Proben­vor­be­rei­tung und die Versuche wurden vom IVW in Kaisers­lau­tern durch­ge­führt. Bisher wurden die quasi-stati­schen Versuche für Mode I, Mixed Mode und Mode II Belas­tungen ausge­wertet. Abbil­dung 1 zeigt den Double Canti­lever Beam (DCB)-Versuch für die Auswer­tung des Bruch­modus I.

Abbil­dung 1: Quasi­sta­ti­scher DCB-Versuch (Quelle: IVW)

Der DCB-Test zeigt, dass sich der Riss in der Mitte der Kleb­schicht ausbreitet, was ein kohä­sives Versagen bedeutet. Dieses Bruch­ver­halten ist genau das, was wir in der Beob­ach­tung erwartet haben. Daher ist es möglich, mit diesem Versuch die SERR für die Kleb­ver­bin­dung unter Schäl­be­las­tung (Modus I) zu ermit­teln.

Unter Berück­sich­ti­gung der glei­chen Rand­be­din­gungen wie bei der expe­ri­men­tellen Prüfung wurde die nume­ri­sche Simu­la­tion mit dem VCCT-Ansatz durch­ge­führt, und das Ergebnis ist in Abbil­dung 2 darge­stellt.

Abbil­dung 2: Nume­ri­sche Simu­la­tion des DCB-Versuchs

Es ist zu erkennen, dass die Simu­la­tions- und die Versuchs­er­geb­nisse ein sehr ähnli­ches Bruch­ver­halten zeigen. Zur weiteren Veran­schau­li­chung sind in Abbil­dung 3 die Last-Verschie­bungs-Kurven aufge­tragen.

Abbil­dung 3: Vergleich der Last-Weg-Kurven zwischen Versuch und Simu­la­tion

Die Simu­la­tion mit dem VCCT-Ansatz hat gezeigt, dass das Bruch­ver­halten, d. h. die Riss­ent­ste­hung und -ausbrei­tung, im Vergleich zu den expe­ri­men­tellen Ergeb­nissen mit hoher Genau­ig­keit vorher­ge­sagt werden kann. Daher ist die nume­ri­sche Simu­la­tion für den Bruch­modus I vali­diert. Das gleiche Verfahren wurde für den gemischten Modus (I + II) und den Modus II durch­ge­führt, wobei eben­falls gute Ergeb­nisse erzielt werden konnten.

Zusam­men­fas­sung

Es wurden expe­ri­men­telle Tests durch­ge­führt, deren Ergeb­nisse als Input für die nume­ri­sche Simu­la­tion verwendet wurden. Nach der Auswer­tung und Vali­die­rung der Simu­la­ti­ons­er­geb­nisse wurde eine Bruch­hüll­kurve erstellt. Mit der in diesem Projekt verwen­deten Berech­nungs­me­thode ist es daher möglich, die Bruch­grenzen für den gesamten Belas­tungs­be­reich von Modus I, Misch­modus I+II und Modus II vorher­zu­sagen.

Im aktu­ellen Arbeits­paket befassen wir uns mit der Bewer­tung der Entwick­lung von Ermü­dungs­schäden, d. h. mit dem Prozess, durch den sich Schäden in der Kleb­ver­bin­dung, die zykli­schen Belas­tungen ausge­setzt ist, im Laufe der Zeit ansam­meln und fort­schreiten. Das ist für die Bewer­tung der Ermü­dungs­le­bens­dauer entschei­dend.

Es wird ein phäno­me­no­lo­gi­scher Ansatz verwendet, der auf der Stei­fig­keits­de­gra­da­tion der geklebten Struktur basiert. Durch die im Rahmen des Forschungs­pro­jekts gewon­nenen Erkennt­nisse, die von expe­ri­men­tellen Verfahren bis hin zu nume­ri­schen Simu­la­tionen reichen, können wir Ihnen helfen, Ihr Produkt­de­sign zu verbes­sern. Eine verbes­serte Versa­gens- und Ermü­dungs­pro­gnose führt zu mehr Sicher­heit und höherer Lebens­dauer Ihrer Kleb­ver­bin­dungen. Das sorgt wiederum für gerin­geren Repa­ratur- und Wartungs­kosten und stei­gert am Ende die Zuver­läs­sig­keit Ihrer Produkte sowie die Zufrie­den­heit Ihrer Kunden.

Als alter­na­tiver Ansatz zur VCCT-Methode werden nun zusätz­liche Unter­su­chungen auf der Grund­lage von Kohä­siv­zo­nen­mo­dellen (CZM) derzeit analy­siert, um die Model­lie­rung des Bruch­ver­hal­tens weiter zu verbes­sern. Hierbei werden Span­nungen im Bereich der Riss­spitze über soge­nannte Inter­face- bzw. Kohä­siv­zo­nen­ele­mente berechnet.

Im nächsten Beitrag zum FAnTe­S­tick-Projekt erfahren Sie mehr zur Bewer­tung von zyklisch bean­spruchten Kleb­ver­bin­dungen und ihrem Ermü­dungs­ver­halten. Bleiben Sie dran!