Leichtbau-Kompe­tenz vom Feinsten: arONE – Entwick­lung & Bau einer »Inter­na­tional 14« CFK-Renn­jolle – Teil 1

Teil 1 /​5 aus der Serie: Leichtbau-Kompe­tenz vom Feinsten: arONE – Entwick­lung & Bau einer »Inter­na­tional 14« CFK-Renn­jolle

Liebe:r Leser:in, 

Eine opti­mierte Struktur führt zu einer besseren Perfor­mance. Das gilt für diese CFK Renn­jolle, das gilt aller­dings auch für viele andere Bereiche der Bauteil­op­ti­mie­rung von Verbund­struk­turen – sei es im mari­timen Bereich, aber auch in Bran­chen wie Auto­mo­tive, Wind­energie, Trans­por­ta­tion, um nur einige zu nennen. Mögliche Ziel­größen sind hier: Gewichts­er­sparnis, höhere Stei­fig­keit, Ressour­cen­er­sparnis und bessere Halt­bar­keit, die dann auch noch – in Abhän­gig­keit zur jewei­ligen Ziel­set­zung – simultan opti­miert werden müssen. Inso­fern ist das Projekt arONE ein »Proof of Concept« der Leicht­bau­kom­pe­tenz und Arbeits­weise von ar engi­neers: Basie­rend auf den extern vorge­ge­benen Rahmen­daten dieser Boots­klasse muss eine opti­male Struktur entwi­ckelt werden, die eine wett­be­werbs­fä­hige Perfor­mance hat und viele Trai­nings- und Wett­be­werbs­fahrten unter härtesten Bedin­gungen »über­lebt«. In diesem und folgenden Blog­ein­trägen geben wir dir nun span­nende Einblicke in die Entste­hung des arONE – der neuesten »Inter­na­tional 14« Segel­renn­jolle »made in Germany«. Auch für Nicht-Segler bietet er eine sehr inter­es­sante Reise in die Möglich­keiten und Grenzen des Faser­ver­bund­leicht­baus bei einer klar defi­nierten Aufga­ben­stel­lung.

Hinter­grund & Moti­va­tion

Der Inter­na­tional 14 ist eine Segel­renn­jolle, die zum ersten Mal 1898 in Austra­lien eine Meis­ter­schaft ausge­tragen hat. Es ist eine Entwick­lungs­klasse, die sich somit seit über 125 Jahren entwi­ckelt hat. Entwick­lungs­klassen haben sehr breit gefasste Regeln, die jeder für sich auslegen und inter­pre­tieren kann. Das Gegen­teil dazu sind Einheits­klassen, die von ausge­wählten Werften ohne bauli­chen Spiel­raum herge­stellt werden. Bereits in den 1960er Jahren wurden Boote mit GFK-Rümpfen gebaut. In den 90ern wurden dann die ersten CFK-Masten entwi­ckelt. Ab den 2000ern wurden dann Hydro­foils entwi­ckelt, die seitdem stan­dard­mäßig am Ruder­blatt verbaut sind.

Unsere Moti­va­tion: Das Schaffen von seri­en­reifen Inter­na­tional 14 Booten mit repro­du­zier­barer Qualität, die dennoch vollsten Anspruch erhebt an den Ultra­leichtbau und den Einsatz neuester Segel­tech­no­logie. 

Der Leichtbau hat für den Renn­sport eine beson­dere Wich­tig­keit. 

Deshalb bietet uns der Renn­sport die Möglich­keit, unsere Leicht­bau­kom­pe­tenz unter härtesten Bedin­gungen auf die Probe zu stellen und unsere Exper­tise durch die viel­fäl­tigen Erfah­rungen weiter­zu­ent­wi­ckeln. Grund­sätz­lich gilt für den Renn­sport: Jedes Kilo­gramm muss durch das Rennen getragen werden, da Antriebs­leis­tung (hier durch das Segel) limi­tiert ist, könnte extremer Leichtbau die Lösung sein. Versagt aller­dings eins oder mehrere Elemente, kann das Rennen nicht fort­ge­führt werden bzw. die Perfor­mance ist stark einge­schränkt. Das sind keine schönen Aussichten. Deshalb zeichnet sich eine erfolg­reiche Konstruk­tion für den Renn­sport (und somit später auch für unsere Kunden) dadurch aus, dass ein – gemäß der Ziel­set­zung – opti­maler Kompro­miss aus Gewicht, Fertig­bar­keit und Steifigkeit/​Festigkeit gefunden wird. Mit anderen Worten: mehr Gewicht bedeutet mehr Stei­fig­keit, mehr Stei­fig­keit führt zu besserer Halt­bar­keit bzw. Perfor­mance, da Kräfte optimal umge­setzt werden. Aller­dings senkt das Mehr an Gewicht auch wieder die Perfor­mance, da mehr Masse bewegt werden muss. Deshalb wurden von uns simultan die Varia­blen Gewicht und Stei­fig­keit der Konstruk­tion in einem itera­tiven Prozess so lange opti­miert, bis der beste Kompro­miss aus Stei­fig­keit und Gewicht gefunden wurde. 

Global gilt es, das Boot möglichst auf Stei­fig­keit hin zu opti­mieren und so für eine best­mög­liche Kraft­über­tra­gung zwischen Rumpf, Rigg sowie Schwert und Ruder zu sorgen. Sind der Rumpf sowie die Appen­dages optimal steif gestaltet, sind sie in der Regel auch ausrei­chend gegen Bruch dimen­sio­niert. Dies gilt es natür­lich auch, geson­dert abzu­prüfen. Ein beson­derer Fokus ist dann jedoch auf lokale Verbin­dungs­stellen, wie z. B. die Wanten­auf­nahme, die Vors­tag­auf­nahme oder den Mastfuß, zu legen. Die hier über­tra­genen Lasten sind so hoch, dass sie einer spezi­fi­schen Festig­keits­über­prü­fung unter­zogen werden müssen. 

Der Renn­sport­ge­danke ist, dass jedes Gramm zählt. Spart man also an vielen kleinen Stellen, z. B. 20 Mal 100 Gramm, sind 2kg einge­spart. Bei einer Struk­tur­masse von 45kg, wie in unserem Boot, ist das ein erheb­li­cher Anteil. Dieser Gedanke lässt sich auch auf große Systeme/​Baugruppen außer­halb des Renn­sports über­tragen. 

Konzept & Heran­ge­hens­weise

Wesent­li­cher Bestand­teil des Designs ist Erfah­rung mit den Booten und der Klasse, den Klas­sen­re­geln und den Belas­tungen sowie dem Usus der Benut­zung der Boote beim Trai­ning und in der Wett­fahrt. 

Für unsere Arbeit für dieses Boot, aber auch für sämt­liche Projekte, die wir für unsere Kunden reali­sieren, gilt: Eine best­mög­liche Opti­mie­rung von einzelnen Bauteilen oder von komplexen Baugruppen kann nur dann erreicht werden, wenn nicht nur eine umfas­sende Exper­tise der Ausge­stal­tung und Berech­nung dieser besteht. Es muss zusätz­lich auch das Know-how vorhanden sein, die Ergeb­nisse dieser Simu­la­tion mit den realen Möglich­keiten von Faser­ver­bund­werk­stoffen abzu­glei­chen. Eine Simu­la­tion ist immer eine abstrakte Verein­fa­chung der realen Welt. Daher ist ein Plau­si­bi­li­täts­check bezüg­lich der realen Welt und der bereits gemachten Erfah­rungen immer notwendig. Beson­ders auch Erfah­rungen in der Produk­tion müssen hier einfließen. Diesen Ansatz haben wir für die Konstruk­tion des arONE wie folgt umge­setzt: 

Auf dem Wasser sind Belas­tungen und vor allem Maxi­mal­lasten nur schwer bis gar nicht genau defi­nierbar. Wir haben aus den sich aus der Praxis erge­benden Segel­sze­na­rien und Crew-Massen Belas­tungen abge­schätzt. Die grund­le­genden Riggbe­las­tungen (Zugkräfte in den Wanten etc.) können im Vorwege abge­schätzt oder gemessen werden, jedoch ist keine genaue Erfas­sung der Spit­zen­lasten möglich. Gerade hier muss man also auf Segel­erfah­rung bauen und diese mit dem Engi­nee­ring abglei­chen. 

Work­flow der Entwick­lung des arONE

Das Rumpf­de­sign wurde vom briti­schen Yacht Desi­gner Dave Hollom vorge­geben. Mit den abge­schätzten und ermit­telten Lasten, einem guten inge­nieur­mä­ßigen Bauch­ge­fühl sowie der Erfah­rung aus der Boots­klasse wurde ein erster Struk­tur­ent­wurf ange­fer­tigt. Nun ist es wichtig, früh die Ferti­gung vorzu­planen, um etwaige Einflüsse der Baume­thode auf den Struk­tur­ent­wurf geltend machen zu können. Dies ist im beson­deren Maße für Faser­ver­bund­fer­ti­gung wichtig, da die Ferti­gungs­me­thode und die damit verbun­denen Einflüsse auf die Bauteil­qua­lität – wie Faser­vo­lu­men­ge­halt oder Aushär­te­tem­pe­ratur – einen direkten Einfluss auf den Lami­na­t­ent­wurf haben. Ist hier keine saubere Planung im Vorfelde gemacht, so kommt es zu unnö­tigen, kost­spie­ligen Schleifen im Design sowie Mehr­kosten in der Ferti­gung für Fehl­schläge. 

Mit dem Design Freeze kann die Ferti­gungs­pla­nung und damit verbunden die Form­bau­pla­nung beginnen. Ebenso können Lami­nat­pläne erstellt werden. Hier ergeben sich oft noch Verbes­se­rungen, die in Abstim­mung mit der Ferti­gung zu einem besseren Ergebnis führen. Dadurch können auch in der Berech­nung weitere Nach­weis­füh­rungen notwendig werden. Die Simu­la­tion ermög­licht es hierbei, verschie­dene Entwürfe in kürzester Zeit hinsicht­lich Stei­fig­keit und Festig­keit mitein­ander zu verglei­chen und inge­nieur­tech­ni­sche Abschät­zungen zu bestä­tigen oder gar zu über­treffen. So bleiben hohe Proto­ty­pen­kosten erspart.

Soweit unser »Onboar­ding« für Sie, unsere Leser:innen, zum Thema Entwick­lung der Renn­jolle arONE. Diese Arbeits­weise ist exem­pla­risch unserer Arbeit für unsere Kunden. Wir hoffen, wir haben Sie neugierig auf das gemacht, was noch kommt: Im nächsten Blog­bei­trag gewähren wir Ihnen detail­lierte Einblicke in unsere Entwick­lungs­ar­beit. Seien Sie gespannt. Falls Ihnen dieser Blog­bei­trag gefällt, teilen Sie ihn gern.